Der Bitcoin ist zurück: Nachdem er im April noch auf 75.000 US-Dollar abgesackt war, ging es Anfang Mai zunächst über die Schwelle von 100.000 US-Dollar – inzwischen überwand er auch das Allzeithoch von 109.000 US-Dollar und stieg bis über 111.000 US-Dollar. Mit dieser Rallye hat der Bitcoin gleichzeitig Tech-Aktien deutlich in den Schatten gestellt. Zeitweise lief der Bitcoin sogar klar entgegengesetzt zu den Tech-Werten, die sich nach dem ersten Einlenken der US-Regierung bei der Zollpolitik inzwischen ebenfalls wieder erholt haben. Nach Analyse von Hartmut Giesen, zuständig für Business Development Fintech, digitale Partner und Krypto / Blockchain bei der Hamburger Sutor Bank, ist die jüngste Entwicklung ein Anzeichen dafür, dass sich die bisher enge Korrelation von Bitcoin und Technologie-Aktien gelockert hat. Daraus könnten sich interessante Folgerungen für die Portfolio-Diversifikation ergeben.
„Die Impulse aus dem Finanzbereich liefen bei Bitcoin bislang sehr synchron zu den Entwicklungen anderer Risiko-Assets wie Technologie-Aktien. Das hat sich zumindest aktuell geändert. Spannend bleibt, ob diese ‚Dekorrelation‘ langfristig bestehen bleibt“, sagt Hartmut Giesen. Trotz wirtschaftlicher Unsicherheit und politischer Turbulenzen rund um die Zollpolitik zeigt sich der Bitcoin erstaunlich robust – und mit einer relativen Unabhängigkeit gegenüber dem Aktienmarkt.
Neue Rahmenbedingungen stärken Kryptomarkt langfristig
Ein Grund für die wachsende Eigenständigkeit von Bitcoin und Co. ist laut Giesen die zunehmende Integration der Kryptowelt in das etablierte Finanzsystem. Dadurch verliert der Bitcoin seinen Charakter als Risiko-Asset. In den USA dürfen Banken künftig ohne zusätzliche Genehmigung Kryptowerte verwahren, handeln, Stablecoins managen und sich an Blockchain-Netzen beteiligen. Auch die strategische Kryptoreserve kommt in veränderter Form“, erklärt Giesen. Ein zweiter Grund sei, dass der Bitcoin trotz seiner Volatilität inzwischen fast als sicherer Hafen und Absicherung gegen die erratische Wirtschaftspolitik von Trump gelte, was zu zusätzlichem Cash-Inflow führe. Auch wenn die Entwicklung weiterhin von der politisch gesteuerten Regulierung und speziell in den USA von den Aktivitäten der Regierung und der Familie Trump abhängt, zeigt der Bitcoin doch inzwischen eine gewisse Resilienz gegenüber politischen Aktivitäten, die die Kapitalmärkte insgesamt beunruhigen.
Langfristige Wellenbewegung bleibt intakt – stärkere Korrelation mit Gold?
Auch wenn kurzfristige Kurssprünge und -rückgänge weiterhin zum Kryptomarkt gehören, sieht Hartmut Giesen langfristig eine positive Entwicklung. „Die langfristige Aufwärtsbewegung lässt sich durch die wachsende Adaption von Kryptowährungen als innovative Technologie erklären. Die Wellenbewegungen werden durch externe und interne Treiber beeinflusst, die aus der hybriden Natur der Kryptos, die Finanz- und Technologieinnovationen vereinen, entstehen“, sagt Giesen. Kurz und mittelfristige Wellenbewegungen wie jetzt auch zeigen der Bitcoin und andere Kryptowerte seit ihrer Existenz. „Die Wellenberge steigen dabei immer höher, während die Täler weniger tief ausfallen“, führt Giesen aus.
Für Anlegerinnen und Anleger stellt sich damit zunehmend die Frage, ob digitale Assets künftig eine wichtigere Rolle in der Asset-Allokation spielen können. „Die aktuellen Entwicklungen zeigen, dass sich Krypto-Assets als Baustein zur Diversifikation, gerade in politisch und wirtschaftlich unsicheren Zeiten, gut eignen könnten“, erklärt Giesen. Aus seiner Sicht könnte die Bezeichnung von Bitcoin als „digitales Gold“ einen Hinweis auf eine veränderte Korrelationsbeziehung geben. „In jüngster Zeit stieg der Bitcoin-Kurs in einem Umfeld politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit. Auch Gold verzeichnet in einer solchen Phase traditionell Zuflüsse und erklimmt derzeit ein Allzeithoch nach dem anderen.“ Noch sei es allerdings zu früh, um aus den jüngsten Entwicklungen feste Strategien für die Portfolio-Diversifikation zu entwickeln. „Kryptos bleiben auch weiterhin eine spekulative Anlage. Wenn, dann eignen sie sich nur als Beimischung – an dieser Maxime wird sich auch in Zukunft wenig ändern“, sagt Giesen.