Der Handelskonflikt zwischen den USA und China hat Anlegerinnen und Anleger weltweit monatelang in Atem gehalten. Nach Eskalationen rund um Zölle und Exportbeschränkungen für Seltene Erden haben sich US-Präsident Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping Ende Oktober in Südkorea auf eine vorläufige Entspannung geeinigt. Doch der Konflikt schwelt weiter und könnte jederzeit neu aufflammen – mit potenziell negativen Folgen für die amerikanische Wirtschaft, die bei kritischen Rohstoffen stark von China abhängig ist. Die Krise hat eine grundlegende Schwachstelle vieler Portfolios offengelegt: Die massive Übergewichtung der USA in gängigen Aktienindizes. Nach Ansicht von Mathias Beil, Leiter Private Banking der Sutor Bank, sollten Anleger ihre Portfolio-Allokation kritisch überprüfen und stärker nach wirtschaftlichen Fundamentaldaten statt nur nach Marktkapitalisierung gewichten. Denn obwohl China beispielsweise eine hohe Wirtschaftskraft besitzt, ist das Land in Indizes, die nach Marktkapitalisierung gewichten, stark unterrepräsentiert.
Das Klumpenrisiko USA: Wenn ein Land das Portfolio dominiert
Im MSCI All Country World Index (ACWI), einem der weltweit verbreitetsten Aktienindizes, vereinen die USA rund 65 Prozent der Gewichtung auf sich. China hingegen kommt lediglich auf 3 Prozent. Diese Allokation folgt konsequent der Marktkapitalisierung – also dem Börsenwert der notierten Unternehmen. Aus Sicht von Mathias Beil stellt sich die Frage, ob sie die tatsächlichen wirtschaftlichen Gewichte widerspiegelt.
„Anleger, die in einen breit gestreuten Weltindex investieren, haben faktisch ein massives USA-Klumpenrisiko in ihrem Portfolio", erklärt Mathias Beil. „Der jüngste Handelsstreit hat gezeigt, wie verwundbar die amerikanische Wirtschaft bei kritischen Rohstoffen wie Seltenen Erden sein kann. Diese werden zu über 80 Prozent in China gefördert und verarbeitet – und sind unverzichtbar für Hightech-Produkte, Chips, Elektroautos und Rüstungsgüter."
Auswertung Sutor Bank: Wirtschaftsmacht China ohne entsprechende Börsenkapitalisierung
Eine aktuelle Auswertung der Sutor Bank vergleicht die Wirtschaftsleistung (BIP) mit der Marktkapitalisierung der beiden größten Volkswirtschaften – und zeigt bemerkenswerte Diskrepanzen auf.
Im Jahr 2024 betrug das nominale BIP der USA rund 29,2 Billionen US-Dollar, während China mit etwa 18,75 Billionen US-Dollar deutlich dahinter liegt. Betrachtet man jedoch das kaufkraftbereinigte BIP – also die tatsächliche Wirtschaftskraft unter Berücksichtigung lokaler Preisniveaus – kehrt sich das Verhältnis um: China führt dann mit rund 38,2 Billionen US-Dollar vor den USA mit 29,2 Billionen US-Dollar.
Bei der Marktkapitalisierung zeigt sich ein ganz anderes Bild. Die USA vereinen 54 Billionen US-Dollar Börsenkapitalisierung auf sich, China kommt dagegen auf lediglich 12 Billionen US-Dollar. Die Vereinigten Staaten dominieren damit die globalen Finanzmärkte mit rund 54 Prozent Anteil, während China trotz seiner massiven Wirtschaftsleistung nur etwa 12 Prozent der weltweiten Marktkapitalisierung repräsentiert.
„Das Missverhältnis zwischen Wirtschaftskraft und Börsenkapitalisierung ist bei China besonders ausgeprägt", erklärt Mathias Beil. „Gemessen am kaufkraftbereinigten BIP ist China die größte Volkswirtschaft der Welt. Seine Bedeutung an den Kapitalmärkten spiegelt diese Position aber nicht annähernd wider."
Ein wesentlicher Grund für diese Lücke liegt in der unterschiedlichen Finanzierungskultur. In China ist ein großer Teil der Wirtschaftskraft in staatlichen oder nicht börsennotierten Unternehmen gebündelt. Die Finanzierung über Kapitalmärkte spielt traditionell eine geringere Rolle als in den USA.
Für eine stärkere Berücksichtigung chinesischer Aktien sprechen aber auch handfeste Gründe: Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 11 für den MSCI China Index liegt der chinesische Aktienmarkt deutlich unter dem S&P 500 (KGV über 20) und dem MSCI World (KGV 23,8). Im internationalen Vergleich erscheinen chinesische Aktien damit günstig bewertet. Als Reaktion auf die US-Zölle kam es in China zudem zu weiteren Zinssenkungen und Liquiditätsspritzen. Diese umfangreichen Konjunkturpakete zielen darauf ab, die Binnennachfrage zu stärken und das Wirtschaftswachstum zu stabilisieren.
Portfolio-Diversifikation: Jenseits der Marktkapitalisierung
„Für Anleger stellt sich die Frage: Soll man sein Portfolio ausschließlich nach Marktkapitalisierung gewichten, wie es bei vielen Standard-Indexfonds der Fall ist? Oder sollte man auch die reale Wirtschaftsleistung berücksichtigen?", betont Mathias Beil.
Eine reine Gewichtung nach Marktkapitalisierung bedeutet, dass ein globales Portfolio zu über 60 Prozent aus US-Aktien bestehen müsste – so wie es in vielen Indizes wie dem MSCI All Country World Index der Fall ist. Dies erscheint aus Sicht der Wirtschaftskraft überdimensioniert, zumal die USA gemessen am nominalen BIP nur etwa ein Viertel der globalen Wirtschaftsleistung erbringen.
„Eine Allokation, die sich auch an der Wirtschaftsleistung orientiert, kann zu einer besseren Risikostreuung führen", sagt Beil. „Der Handelsstreit hat gezeigt, wie schnell politische Entscheidungen die Märkte beeinflussen können. Wer sein Portfolio zu stark auf die USA konzentriert, trägt ein erhebliches Länderrisiko."
Anleger, die ausschließlich in einen MSCI ACWI investieren, sollten sich daher bewusst sein, dass sie ein massives USA-Gewicht im Portfolio haben. Eine Beimischung von Investments, die stärker nach wirtschaftlichen Fundamentaldaten gewichtet sind, kann nach Einschätzung von Mathias Beil sinnvoll sein – nicht nur mit Blick auf China, sondern auf alle Regionen, deren Wirtschaftskraft größer ist als ihr Börsengewicht.




