Dirk C. Schoch Leiter Stiftungskontor

Klingelbeutel oder neue Spenden-Logik?

Die deutsche Spendenbereitschaft steigt – dennoch sind Stiftungen durch anlassbezogenes Spenden und hohe Inflationsraten herausgefordert, ihr Spendenmanagement weiter zu professionalisieren. Die folgenden sechs Aspekte für strategisches Spendenmanagement helfen dabei, eine langfristige Spendenfinanzierung umzusetzen.

Statistiken weisen zwar aus, dass die Spendenbereitschaft in Deutschland steigt: 2021 wurde gemäß Angaben des Deutschen Spendenrats so viel gespendet wie noch nie. Das klingt zunächst nach einer sehr guten Nachricht gerade für gemeinnützige Vereine und Stiftungen. Doch blickt man etwas genauer auf die Zahlen, besteht durchaus Grund zur Beunruhigung – denn die Spendenbereitschaft ist ganz überwiegend anlassbezogen: Mit rund drei Vierteln macht die humanitäre Hilfe, für die meist adhoc aufgerufen wird, den größten Spendenanteil aus.

Bei anderen Bereichen wie Kinder- und Jugendhilfe oder auch Krankheit und Behinderung sanken die Spendenzahlen 2021 hingegen. Hinzu kommt: 61% der Spender sind älter als 60 Jahre. Bei den jüngeren Altersgruppen ist das Bild zwiegespalten: Positiv ist, dass die Zahl der Spendenden unter 29 Jahren zunimmt. Doch bei den 30- bis 39-Jährigen wiederum stagniert die Zahl der Spender, bei den 40- bis 49-Jährigen ist sie sogar rückläufig.

Fakt ist: Viele Stiftungen werden auch in Zukunft auf Spenden angewiesen sein, um Projektfinanzierungen sicherzustellen. Das Umfeld dürfte nicht einfacher werden: Mittelfristig weiter hohe Inflationsraten könnten auch das Spendenverhalten negativ beeinflussen – sparen statt spenden. Stiftungen kommen nicht umhin, ihr Spendenmanagement zu professionalisieren, insbesondere um sämtliche Altersgruppen als Spender anzusprechen. Das ist ein Spagat: Einerseits heißt es die Kommunikationswege zu bestehenden, oft älteren Spendern aufrecht zu halten, aber auch neue Wege zu beschreiten, um jüngere Spendergruppen an eine Förderung heranzuführen.

Abb: Spendenbereitschaft je nach Altersgruppe (Quelle: Deutscher Sprendenrat/GfK, 2021)

Der Bedarf eines strategischen Spendenmanagements wird immer dringlicher – das zeigte sich unlängst auch in Beiträgen und im Austausch auf dem Norddeutschen Fundraisingtag 2022. Auch wenn noch viel Unsicherheit spürbar ist, geht es doch gar nicht um die vielzitierte „Raketenwissenschaft“, um dies aufzusetzen. Es bedeutet, sich intensiv darüber Gedanken zu machen, wie eine Spendenfinanzierung langfristig sichergestellt werden kann. In der Praxis sollten Stiftungen sechs strategische Aspekte in den Blick nehmen.

Bedürfnisse: Immer in den Vordergrund

Als Stiftung muss ich wissen, wer meine Spender sind und wie diese „ticken“. Das fängt damit an, sich einen Überblick über die bisherige Struktur der Spender zu verschaffen: Welcher Altersgruppe gehören diese primär an, aus welchen Regionen stammen die Spender? Gibt es den Wunsch nach konkreten Projektfinanzierungen oder geht es mehr um eine institutionelle Förderung? Was wollen sie über Projekte und die Stiftung wissen, mit welchen Inhalten oder Werten identifizieren sie sich? Gibt es die Bereitschaft, oder sogar den Wunsch nach aktivem Engagement oder steht eher die passive (finanzielle) Förderung im Vordergrund?

Diese Fragen sollten sich nicht nur an bisherige Spender, sondern auch an neue richten. Die Bitte um freiwillige Angaben zu den Bedürfnissen wäre ein erster Schritt, denn allein die Frage kann die Bindung erhöhen, da die Spender sich „gehört“ und eingebunden fühlen.

Kanäle: Die richtigen Dimensionen bespielen

Die Frage der Kanäle, um mit Spendern in Kontakt zu treten, wird immer wichtiger. Die oft genutzte These, dass ältere Menschen eher über Print-Ansprache zu erreichen sind, wozu Jahresberichte und regelmäßige Updates gehören, und jüngere Menschen eher online angesprochen werden wollen, erweist sich zunehmend als Spekulation.

Auch hier heißt es: reden oder auf die Zahlen schauen, also die erfolgreichsten Kommunikationskanäle herausfiltern und weiter ausbauen. Hier hilft keine pauschale Annahme, sondern nur ein Abgleich mit der Realität. So bietet zum Beispiel ein kurzweiliger Einblick in ein Projekt „vor Ort“ als Video, umgesetzt beispielsweise in Form eines Interviews, großen Mehrwert für jeden Spender – ganz gleich, welche Altersgruppe. Zu einer besonderen Veranstaltung oder einem wichtigen Anlass lohnt sich wiederum für alle Spender eine haptische Einladung oder Information – weil es eine hohe Wertigkeit vermittelt. Die Frage des Kanals ist daher nicht unbedingt eine Frage der Altersgruppe. Zentral ist vielmehr, dass das beste Medium gewählt wird für die Botschaft, die vermittelt werden soll.

Einbindung: Vom Spender zum Fan und zum „Botschafter“

Wer überlegt nicht, welche Andockmöglichkeiten man für Spenderinnen und Spender schaffen kann, um sie nicht nur als Geldgeber zu verstehen. Das Bedürfnis nach Identifikation ist gerade bei den jüngeren Zielgruppen stark spürbar. Dazu braucht es eine „Wertekongruenz“, was heißt, dass eine Stiftung ihre Werte klar darstellen und vertreten muss. Bei älteren Menschen wiederum gibt es häufig ein hohes Interesse, sich einzubringen, etwas von den eigenen Erfahrungen weiterzugeben. Wer dieses Potenzial als Stiftung nutzt, schafft echte Bindung.

Denkbar wäre etwa ein Expertenrat oder ein Kuratorium, das für bestimmte Projekte eine Empfehlung abgibt oder sogar mitentscheiden kann bei der Mittelverwendung. Oder auch ein studentischer Ideenwettbewerb, der vielleicht keine 1:1 umsetzbaren Lösungen liefert, aber eine intensive Auseinandersetzung für die Teilnehmenden bietet. So kann aus einem reinen Geldgeber ein „berührter Fan“ werden, der die Geschichte nicht nur mitgestaltet, sondern auch noch weitererzählt und so selbst zu einem aktiven Botschafter wird.

Marke: Sichtbarkeit schaffen

Es bleibt die Herausforderung, dass Spender nicht von allein kommen und viele Spendenkampagnen aufwändig und teuer sind. Daher müssen Stiftungen immer überlegen, wie sie ihre Sichtbarkeit erhöhen, mit welchen Projekten sie sich einbringen und wo sie sich als Stiftung einmischen. Aber reicht es, Präsenz zu zeigen, indem man zu einer Charity-Aktion einlädt?

In der Stiftungs-Marke geht es um die Inhalte, mit denen sich Dinge verbessern, wie Krankheiten geheilt und Notleidenden geholfen wird. Die Identifizierung mit diesem Handeln wird zur Marke ausgebildet, was in konkreten Situationen wie Tierwohl oder Krankheiten einfacher ist, als bei abstrakteren Themen wie Wissenschaft und Forschung. Die Konzentration auf eine zentrale Botschaft, ein stimmiges Erscheinungsbild und die Kongruenz von Sagen und Handeln sind entscheidende Pfeiler, um als Marke wahrnehmbar und unterscheidbar zu werden.

Abb.: Spendenzwecke (Quelle: Deutscher Spendenrat / GfK, 2021)

Finanzen: Überschüsse für sich arbeiten lassen

Warum ist Geld in Stiftungen eigentlich immer knapp und zu wenig? Die Basis der gemeinnützigen Organisation ist der Vereins- oder Stiftungszweck. Von dort führt der Weg unweigerlich zur – oft ungeliebten – Finanzplanung. Man sollte aus dem, was man hat, jedoch auch mehr machen. Im Laufe des Jahres 2022 ist zu erwarten, dass die Zinsen wieder anziehen, Aktienkurse könnten vorerst volatil bleiben – doch heißt das, Stiftungen sollten deshalb möglichst viel auf dem Tagesgeldkonto lassen oder dorthin transferieren?

Auch jetzt gilt, dass die langfristige Projekt- und Finanzplanung entscheidet, ob in wechselhaften Zeiten die Förderungen weiter umsetzbar sind, also die Rücklagen ausreichen oder ob das Spendenaufkommen erhöht werden muss. Wer seine Finanzen analysiert und Raum für eine mittel- bis langfristige Rücklage hat, sollte beherzigen: Nur am Kapitalmarkt gibt es die Chance, wirklich renditeorientiert anzulegen. Ein Tagesgeldkonto sollte – wie der Name sagt – auch weiterhin nur kurzfristigen Zwecken dienen.

Offenheit: Neue Themen & Kooperationen

Sicher muss eine Stiftung ihren festgelegten Stiftungszweck erfüllen, der in der Regel einen relativ festen Bereich umfasst. Doch heißt dies nicht automatisch, dort starr zu verharren. Denn auch auf dem angestammten Feld, sei es etwa die Förderung der Augenheilkunde oder von Brunnenbauten in Afrika, gibt es zahlreiche Variationsmöglichkeiten, die die Attraktivität für Spender steigern können. Neue Player wie Startups treten auf den Plan, Verbände, Wissenschaftler oder auch Journalisten beschäftigen sich mit diesen Themen – und könnten im direkten Austausch mit Stiftungen wertvolle neue Impulse geben.

Auch als Stiftung sollte man daher über den berühmten Tellerrand schauen und sich immer wieder hinterfragen. Zentral bleibt jedoch der Austausch, denn das aktive Aufeinanderzugehen kann so manche neue Idee oder ein spannendes Projekt hervorbringen, das dem Stiftungszweck dient und gleichzeitig eine Transformation in naheliegende Gefilde erlaubt – mit zusätzlicher „Power“ etwa durch einen Kooperationspartner. Das Netzwerken ist aktuell zum Glück wieder leichter möglich und bleibt entscheidendes Element im Stiftungswesen und auch beim Spendenmanagement.

Dieser Gastbeitrag ist im Magazin Stiftung & Sponsoring erschienen.

Dirk C. Schoch Leiter Stiftungskontor

Schreiben Sie mir

Nutzen Sie unser Kontakt-Formular, um schriftlich mit mir in Kontakt zu treten. Ich freue mich auf Sie!

Kontakt

Stiftung

Dirk C. Schoch Leiter Stiftungskontor

Community Management

(25.04.2023) Nachhaltiger Aufbau von Beziehungen: Bericht von den 18. Norddeutschen Fundraisingtagen Weiterlesen

Stiftung

Dirk C. Schoch Leiter Stiftungskontor

Fünf Fragen an die Rathauspassage Hamburg

Normalerweise sozialer Hafen in der Innenstadt, erleben wir in unserer direkten Nachbarschaft eine Dauerbaustelle. Dirk Schoch hat sich über die aktuellen Herausforderungen erkundigt. Weiterlesen

Stiftung

Dirk C. Schoch Leiter Stiftungskontor

Stipendiaten begeistern in der Elbphilharmonie

(30.01.2022) Die Stiftung Flügel-Fundus – von der Sutor Bank gegründet – war Veranstalter des 3. Neujahrskonzerts in der Hamburger Elbphilharmonie. Weiterlesen